Zwangsvollstreckung: Erfüllungseinwand bei tituliertem Beschäftigungsanspruch
Hat ein Arbeitnehmer erfolgreich auf seine Beschäftigung geklagt und liegt ein entsprechender Titel vor, muss der Arbeitgeber diesen erfüllen. Doch was, wenn der Arbeitgeber die im Titel genannte Tätigkeit im Nachhinein durch eine unternehmerische Entscheidung verändert oder wegrationalisiert? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Beschluss vom 26. Juni 2025 (Az.: 8 AZB 17/25) entschieden: Der Arbeitgeber kann sich im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht auf Erfüllung berufen, wenn er die Unmöglichkeit selbst herbeigeführt hat.
Der Fall: Der Aufschub mit der Zwangsvollstreckung
Ein Kläger hatte ein rechtskräftiges Urteil erstritten, das seinen Arbeitgeber, ein beklagtes Land, zur Beschäftigung in einer spezifischen Position – der organisatorischen Leitung des „Skill Lab“-Betriebs – verpflichtete. Im Vollstreckungsverfahren behauptete das Land, die Tätigkeiten seien verändert worden, und es habe dem Kläger eine andere, vertragsgemäße Tätigkeit zugewiesen. Es berief sich auf sein Weisungsrecht und meinte, die titulierte Pflicht sei erfüllt.
Das LAG Niedersachsen verhängte ein Zwangsgeld von 5.000 €, da der Titel nicht erfüllt sei. Das Land legte Rechtsbeschwerde ein.
Die BAG-Entscheidung: Die Ausübung des Weisungsrechts als Hinderungsgrund
Das BAG wies die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurück.
- Enge Grenzen für Erfüllungseinwand: Ein Schuldner kann im Zwangsvollstreckungsverfahren nach $\S 888$ ZPO nur dann einwenden, er habe die titulierte Pflicht durch Zuweisung einer anderen Tätigkeit erfüllt, wenn die titulierte Beschäftigung aufgrund von Umständen unmöglich geworden ist, auf die er keinen Einfluss hatte.
- Selbst herbeigeführte Unmöglichkeit: Da das Land die Unmöglichkeit der titulierten Beschäftigung durch eine eigene unternehmerische Entscheidung (Organisationsentscheidung) herbeigeführt hatte, konnte es sich nicht auf die Ausübung seines Weisungsrechts berufen.
- Keine Verlagerung ins Zwangsvollstreckungsverfahren: Die Frage, ob die organisatorische Entscheidung des Arbeitgebers zur Veränderung des Arbeitsplatzes rechtmäßig war, ist eine komplexe tatsächliche Frage. Nach Ansicht des BAG soll die Beantwortung solcher Fragen im Erkenntnisverfahren und nicht im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren geklärt werden.
Konsequenzen für die Praxis
Dieses Urteil verschärft das Risiko für Arbeitgeber bei der Zwangsvollstreckung von Beschäftigungsansprüchen.
- Hohes ZwangsgeldrIsiko: Arbeitgeber können die titulierte Beschäftigung nicht einfach durch Zuweisung einer anderen, vermeintlich gleichwertigen Tätigkeit umgehen.
- Weisungsrecht muss geklärt werden: Beruft sich der Arbeitgeber auf sein Weisungsrecht, muss er dies bereits im Erkenntnisverfahren klären oder eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) erheben. Das Zwangsvollstreckungsverfahren nach $\S 888$ ZPO ist hierfür ungeeignet.
- Titelauslegung: Das BAG bestätigt, dass der Vollstreckungstitel nicht nur aus der Entscheidungsformel, sondern auch aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen ausgelegt wird.
Quellenangabe:
BAG, Beschluss vom 26.06.2025, Az.: 8 AZB 17/25.
$\S 888$ Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), $\S 106$ Gewerbeordnung (GewO).
$\S 611a$ Abs. 1, $\S 315$ Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
(Vorinstanz: LAG Niedersachsen – 3 Ta 201/24).
