Wettbewerbsverbot: BGH erlaubt rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung bei Geschäftsführern
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern sind ein wichtiges Instrument, um das Unternehmen vor Konkurrenz zu schützen. Anders als bei Arbeitnehmern sind die strengen Vorgaben der $\S\S 74$ ff. HGB nicht unmittelbar anwendbar. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 23. April 2024 (Az.: II ZR 99/22) entschieden, dass Unternehmen in den Dienstverträgen eine Klausel vereinbaren können, die den rückwirkenden Wegfall der versprochenen Karenzentschädigung (ex tunc) vorsieht, wenn der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt.
Der Fall: Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot
Ein Geschäftsführer, dessen Anstellungsverhältnis beendet wurde, nahm eine neue Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen auf. Er hatte einen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung für die Dauer des zweijährigen Wettbewerbsverbots. Der Vertrag sah jedoch vor, dass die Karenzentschädigung bei einem Verstoß rückwirkend entfällt und bereits geleistete Beträge zurückzuzahlen sind. Der ehemalige Geschäftsführer klagte auf Zahlung der Karenzentschädigung bis zum Zeitpunkt der Aufnahme der Konkurrenztätigkeit.
Die BGH-Entscheidung: Keine unbillige Belastung
Der BGH entschied zugunsten des Unternehmens und wies die Klage ab.
- Keine zwingende Karenzentschädigung: Da die $\S\S 74$ ff. HGB auf Organmitglieder nicht anwendbar sind, ist die Zahlung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Klausel.
- Freie vertragliche Gestaltung: Sofern eine Karenzentschädigung zugesagt wird, können die Parteien deren Höhe frei regeln. Das Gericht urteilte, dass der rückwirkende Wegfall der Zahlung bei einem Verstoß den Geschäftsführer nicht unbillig belaste.
- Gesamtnichtigkeit bei unwirksamer Verfallsklausel: Der BGH stellte fest, dass die isolierte Unwirksamkeit der Verfallsklausel (unzulässige geltungserhaltende Reduktion) zur Gesamtnichtigkeit des gesamten Wettbewerbsverbots führen würde, was eine weitreichende Konsequenz darstellt.
Was bedeutet das für die Praxis?
Das Urteil stärkt die vertragliche Gestaltungsfreiheit von Unternehmen bei Dienstverträgen mit Geschäftsführern und Vorständen.
- Absicherung der Karenzentschädigung: Unternehmen können nun eine rückwirkende Verfallsklausel in den Dienstvertrag aufnehmen, um sich für den Fall eines Verstoßes abzusichern.
- Prüfung des Wettbewerbsverbots: Bei der Vereinbarung von umfassenden Tätigkeitsverboten ist weiterhin Vorsicht geboten. Die Wirksamkeit bemisst sich an $\S 138$ BGB.
- Sorgfältige Formulierung: Wer auf eine Karenzentschädigung verzichten will, muss dies klar regeln. Wer sie zahlt, sollte die Rückfallklausel präzise formulieren.
Quellenangabe:
BGH, Urteil vom 23.04.2024, Az.: II ZR 99/22 (ArbRB 2024, 238).
$\S\S 74$ ff. Handelsgesetzbuch (HGB), $\S 138$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
(Verweist auf KG v. 5.5.2022 – 11 U 21/17).
