VSOPs: Neue BAG-Regeln kippen Bad-Leaver-Klauseln und erhöhen Karenzentschädigung
Virtuelle Aktienoptionspläne (VSOPs) sind in der Start-up-Branche ein beliebtes Instrument, um Mitarbeitende am Unternehmenserfolg zu beteiligen, ohne ihnen echte Gesellschaftsanteile zu übertragen. Doch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Entscheidungen aus dem März 2025 die Gestaltung von VSOPs massiv verschärft und die Spielräume für Arbeitgeber stark eingeschränkt.
Der folgende Beitrag ordnet die neue Rechtsprechung ein und erläutert die Konsequenzen für die Praxis.
I. Gevestete Optionen sind Gegenleistung – Bad-Leaver-Klauseln unwirksam
Bislang galten die Gestaltungsspielräume für VSOPs als großzügig, da Optionen als spekulative Verdienstchance und nicht als gesicherter Vergütungsanspruch angesehen wurden. Diese Sichtweise hat das BAG nun ausdrücklich aufgegeben.
- Gegenleistung für erbrachte Arbeit: Das BAG bewertet gevestete Optionen nun als Gegenleistung für die in der Vesting-Periode erbrachte Arbeitsleistung. Die Optionen sind daher nicht mehr nur eine Motivationsprämie, sondern ein Teil des Entgelts.
- Unwirksamkeit der Bad-Leaver-Klausel: Klauseln, die den Verfall bereits gevesteter Optionen vorsehen, wenn der Mitarbeiter durch Eigenkündigung ausscheidet, sind unangemessen benachteiligend ($\S 307$ Abs. 1, 2 BGB). Das Gericht sieht darin eine unzulässige Kündigungserschwerung und einen Verstoß gegen den Rechtsgedanken des $\S 611a$ Abs. 2 BGB (Gleichbehandlung von Entgelt und Arbeitsleistung).
Beraterhinweis: Klauseln, die auf eine verhaltensbedingte ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beschränkt sind, dürften weiterhin zulässig sein, da der Arbeitnehmer in diesen Fällen die Beendigung selbst zu verantworten hat.
II. Immense Kostenexplosion bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten
Die zweite entscheidende Verschärfung betrifft die Berechnung der Karenzentschädigung für nachvertragliche Wettbewerbsverbote.
- VSOP-Leistungen sind vertragsgemäße Leistung: Das BAG entschied, dass Leistungen aus einem VSOP Teil der vertragsgemäßen Leistungen i.S.v. $\S 74$ Abs. 2 HGB sind und somit in die Berechnung der Karenzentschädigung einfließen müssen.
- Folge: Dies kann zu immensen Kostenfolgen führen. In einem Fall flossen neben der Festvergütung auch 6,9 Millionen Euro aus dem VSOP in die Berechnung der Karenzentschädigung ein. Die Karenzentschädigung muss mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen betragen.
III. Lehren für die Praxis
Die Entscheidungen markieren eine deutliche Zäsur in der VSOP-Gestaltung.
- Anpassung bestehender VSOPs: Bestehende Verträge müssen dringend überprüft und Bad-Leaver-Klauseln auf die eng begrenzte Ausnahme (außerordentliche oder verhaltensbedingte Kündigung) beschränkt werden.
- Wettbewerbsverbote überdenken: Angesichts der potenziell immensen Erhöhung der Karenzentschädigung durch VSOP-Leistungen sollten Unternehmen die Notwendigkeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten genau überprüfen und gegebenenfalls auf diese verzichten ($\S 75a$ HGB).
- Auslagerung der Optionen: Um die Anrechnung auf die Karenzentschädigung zu vermeiden, sollten Arbeitgeber prüfen, ob die Gewährung der Optionen über eine dritte (Konzern-)Gesellschaft erfolgen kann, da Leistungen Dritter grundsätzlich nicht als vertragsgemäße Leistungen gelten.
Quellenangabe:
BAG, Urteile vom 19.03.2025 (Az.: 10 AZR 67/24) und 27.03.2025 (Az.: 8 AZR 63/24, 8 AZR 139/24) [ArbRB 2025, 194 ff., 312].
$\S 307$ Abs. 2 Nr. 1 und 2, $\S 611a$ Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
$\S 74$ Abs. 2, $\S 74b$ Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB).
