Tarifliche Regelungssperre: Betriebsvereinbarung kann bezahlte Frühstückspause nicht streichen
In tarifgebundenen Unternehmen dürfen Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein ($\S 77$ Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Dieses Prinzip, bekannt als Regelungssperre, soll die Tarifautonomie schützen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 20. Mai 2025 (Az.: 1 AZR 120/24) entschieden, dass eine Betriebsvereinbarung, die eine per betrieblicher Übung gewährte, bezahlte Frühstückspause streicht, unwirksam ist.
Der Fall: Abschaffung der Pause per Betriebsvereinbarung
Ein tarifgebundener Arbeitgeber hatte über viele Jahre hinweg eine 15-minütige Frühstückspause unter Fortzahlung der Vergütung gewährt (betriebliche Übung). Im Jahr 2018 schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, die diese Praxis dauerhaft einstellte. Der Kläger forderte die Fortsetzung der bezahlten Pause.
Die BAG-Entscheidung: Verstoß gegen die Regelungssperre
Das BAG hob das klageabweisende Urteil der Vorinstanz auf und wies darauf hin, dass die Betriebsvereinbarung unwirksam ist.
- Regelungsgegenstand ist Freistellung: Bei der „bezahlten Frühstückspause“ handelt es sich um eine tägliche Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Dieser Gegenstand ist bereits tariflich geregelt, da der Tarifvertrag umfassende Regelungen für Situationen enthält, in denen das Entgelt ohne Arbeitsleistung fortgezahlt wird.
- Sperrwirkung greift: Da der Gegenstand tariflich geregelt ist, greift die Regelungssperre des $\S 77$ Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Die Betriebsvereinbarung war daher unwirksam.
- Kein Mitbestimmungsrecht nach $\S 87$ BetrVG: Die Sperrwirkung entfällt nur bei Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung ($\S 87$ Abs. 1 BetrVG). Das BAG stellte klar, dass die bezahlte Frühstückspause keinem der Mitbestimmungstatbestände unterfällt. Insbesondere liegt keine Änderung betrieblicher Entlohnungsgrundsätze vor ($\S 87$ Abs. 1 Nr. 10 BetrVG), da nur zusätzliche arbeitsfreie Zeit gewährt wurde.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung macht deutlich, wie schwierig es ist, einmal entstandene betriebliche Übungen durch eine Betriebsvereinbarung zu beseitigen.
- Tarifliche Grenzen beachten: Arbeitgeber müssen die tarifliche Perspektive zwingend mitbedenken, um eine wirksame Betriebsvereinbarung abzuschließen. Die Sperrwirkung verhindert die Beseitigung der bezahlten Pause per Betriebsvereinbarung.
- Fortsetzung der betrieblichen Übung: Da die Betriebsvereinbarung unwirksam ist, lebt die ursprüngliche betriebliche Übung der bezahlten Frühstückspause weiter.
Quellenangabe:
BAG, Urteil vom 20.05.2025, Az.: 1 AZR 120/24 (ArbRB 2025, 339).
$\S 77$ Abs. 3 Satz 1, $\S 87$ Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
(Vorinstanz: LAG Niedersachsen – 5 Sa 408/23).
