Sonderkündigungsschutz bei Betriebsratswahlen: Risiken und Missbrauch

Ein Fachbeitrag klärt den Sonderkündigungsschutz für Wahlvorstände, Wahlbewerber und Initiatoren einer Betriebsratswahl. Es werden Missbrauchsrisiken und die Pflicht zur rechtzeitigen Mitteilung dargestellt.

Die anstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 rücken die komplexen Regelungen zum Sonderkündigungsschutz in den Fokus. Das Gesetz schützt nicht nur die gewählten Betriebsratsmitglieder, sondern auch Personen im Vorfeld der Wahl. Dieser Schutz ist stark, aber nicht grenzenlos, und birgt aus Arbeitgebersicht erhebliche Missbrauchsrisiken.

I. Die geschützten Personen und der Schutzumfang

Der Sonderkündigungsschutz ist in $\S 15$ Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt und besteht aus zwei Mechanismen:

  1. Erster Mechanismus: Die Kündigung ist nur aus wichtigem Grund zulässig ($\S 15$ Abs. 1 Satz 1 KSchG).
  2. Zweiter Mechanismus: Die außerordentliche Kündigung bedarf der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats ($\S 103$ Abs. 1 BetrVG).

II. Die Missbrauchsrisiken und die Pflichten des Arbeitnehmers

Der Sonderkündigungsschutz ist für Arbeitgeber oft schwer kalkulierbar und missbrauchsanfällig:

  • Missbrauch durch Kandidatur: Arbeitnehmer können sich nach Zugang einer Kündigung noch kurzfristig als Wahlbewerber aufstellen lassen und so den starken Sonderkündigungsschutz erhalten. Dies ist die Garantie für das Bestehen der Probezeit.
  • Frühe Bestellung des Wahlvorstands: Betriebsräte können den Wahlvorstand sehr früh bestellen, um Arbeitnehmern kurzfristig Schutz zu verschaffen (Grenze ist hier der Rechtsmissbrauch).
  • Sonderfall Wartezeit: Die Gerichte diskutieren, ob der Sonderkündigungsschutz für Initiatoren erst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit des KSchG greift (LAG München: ja, um die Erprobung zu sichern).

III. Mitteilungsobliegenheit und Verwirkung des Schutzes

Um dem Missbrauchsrisiko entgegenzuwirken, hat die Rechtsprechung eine Mitteilungsobliegenheit für den Arbeitnehmer statuiert:

  • Mitteilungsobliegenheit: Der Vorfeldinitiator verliert seinen Sonderkündigungsschutz, wenn er den Arbeitgeber nicht rechtzeitig (angemessen sind drei Wochen) nach Zugang einer Kündigung über die den Schutz begründenden Tatsachen informiert.
  • Folge: Das Fehlen der rechtzeitigen Mitteilung kann zur Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes führen.

Quellenangabe:

Dr. Norbert Windeln, LL.M. und Dr. Sebastian Krülls, „Sonderkündigungsschutz im Umfeld der Betriebsratswahl 2026“, ArbRB 2025, 357 ff.

$\S 15$ Abs. 1, Abs. 3, Abs. 3a, Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

$\S 16$ Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).