Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe: BGH stärkt Bonusanspruch
Wenn der Arbeitgeber seine vertragliche Pflicht zur rechtzeitigen Festlegung bonusrelevanter Ziele verletzt, kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz haben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19. Februar 2025 (Az.: 10 AZR 57/24) seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt und auf den Fall der einseitigen Zielvorgabe erweitert.
I. Der Rechtsgrundsatz: Schadensersatz statt der Leistung
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Bonusanspruch bei versäumter Zielvorgabe basiert auf Schadensersatz statt der Leistung (§280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. §283 Satz 1 BGB).
- Fehlende Motivationsfunktion: Das BAG stellt klar: Eine Zielvorgabe, die erst mitgeteilt wird, nachdem der Großteil der Zielerreichungsperiode abgelaufen ist, kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen.
- Keine gerichtliche Ergänzung: Eine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung (§315 Abs. 3 Satz 2 BGB) scheidet in solchen Fällen aus, da die Funktion des Bonus – die Anreizwirkung während der Periode – nicht mehr erreicht werden kann.
II. Der Fall vor dem BAG
Ein Angestellter (Head of Advertising) hatte vertraglichen Anspruch auf eine erfolgsabhängige Vergütung. Eine Betriebsvereinbarung sah vor, dass ihm die Jahresziele bis zum 01.03. des Kalenderjahres mitgeteilt werden.
- Pflichtverletzung: Das Unternehmen teilte die Unternehmensziele erst am 15.10.2019 (nach drei Vierteln der Periode) und die individuellen Ziele gar nicht mit.
- Schadensberechnung: Der Kläger forderte Schadensersatz auf der Grundlage der maximal zugesagten variablen Vergütung.
III. Die Entscheidung des BAG
Das BAG wies die Revision des Arbeitgebers zurück und bestätigte den Schadensersatzanspruch.
- Schadensschätzung: Bei der Schadensschätzung (§287 Abs. 1 ZPO) ist zugunsten des Arbeitnehmers von der maximal zugesagten variablen Vergütung auszugehen. Die individuellen Ziele wurden in diesem Fall mit einem angenommenen Zielerreichungsgrad von 142 Prozent (entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung früherer Jahre) bewertet.
- Kein Mitverschulden des Arbeitnehmers: Bei der einseitigen Zielvorgabe durch den Arbeitgeber trägt dieser die alleinige Initiativlast. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung ist in der Regel nicht anzunehmen (§254 Abs. 1 BGB).
IV. Praxishinweis
Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Pflicht zur Zielvorgabe, muss er mit Schadensersatzforderungen rechnen. Die rechtzeitige Festlegung und Mitteilung der Ziele ist zur Sicherung des Betriebsfriedens und zur Einhaltung vertraglicher Pflichten unerlässlich.
Quellenangabe:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2025, Az.: 10 AZR 57/24 (Pressemitteilung).
§§ 280, 283, 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
(Verweist auf BAG, Urteil vom 17.12.2020, 8 AZR 149/20).
