Langzeitkonto: Erkrankung nach Freistellung – Wer trägt das Risiko?
Langzeitkonten dienen der flexiblen Lebensarbeitszeitgestaltung, doch was passiert mit angespartem Zeitguthaben, wenn der Arbeitnehmer nach vereinbarter Freistellung erkrankt? Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat in einem Urteil vom 10. April 2025 (Az.: 3 SLa 629/24) klargestellt: Eine Erkrankung nach der Freistellung hebt die bereits eingetretene Erfüllungswirkung nicht wieder auf. Der Arbeitnehmer trägt das Risiko, die freie Zeit nicht wie geplant nutzen zu können.
Der Fall: Freistellung vereinbart, dann krank geworden
Ein Arbeitnehmer hatte in einem Aufhebungsvertrag vereinbart, sein Langzeitguthaben von 31 Tagen durch Freistellung im Zeitraum vom 18. August bis 29. September 2023 auszugleichen. Die Freistellung wurde im Zeiterfassungssystem verbucht und genehmigt.
Kurz vor Beginn der Freistellung erkrankte der Kläger jedoch und war bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig. Er forderte die Auszahlung der 31 Tage mit der Begründung, er habe die Zeitguthaben wegen der Krankheit nicht abbauen können. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Die LAG-Entscheidung: Die Erfüllungswirkung bleibt bestehen
Das LAG Köln bestätigte die Abweisung der Klage.
- Erfüllungswirkung durch Freistellung: Der Anspruch auf Zeitausgleich wurde bereits durch die vereinbarte Freistellung und die Verbuchung im Langzeitkonto erfüllt.
- Keine nachträgliche Aufhebung: Die nachträglich eingetretene Arbeitsunfähigkeit hat keine rückwirkende Beseitigung der Erfüllungswirkung zur Folge.
- Risiko der Nutzung: Im Gegensatz zum regulären Erholungsurlaub, dessen Zweck die Erholung ist, dient das Langzeitkonto hier der persönlichen Lebensarbeitszeitplanung des Beschäftigten. Da kein Erholungszweck im Vordergrund steht, trägt der Arbeitnehmer das Risiko der Nutzungsmöglichkeit. Wäre der Langzeitkonten-Tarifvertrag hingegen auf Erholungszwecke ausgerichtet gewesen, hätte die Erkrankung die Erfüllungswirkung möglicherweise hinfällig gemacht.
Konsequenzen für die Praxis
Dieses Urteil ist von großer Bedeutung für die Gestaltung von Langzeitkonten und Aufhebungsverträgen.
- Doppelte finanzielle Belastung vermeiden: Arbeitgeber sollten darauf achten, dass die Regelungen zu Langzeitkonten nicht ausdrücklich dem Erholungszweck dienen, um im Krankheitsfall eine doppelte finanzielle Belastung (Lohnfortzahlung und Auszahlung des Zeitguthabens) zu vermeiden.
- Arbeitnehmer tragen das Nutzungsrisiko: Bei Langzeitkonten, die Zwecke der Lebensplanung verfolgen, erlischt das Guthaben auch bei späterer Krankheit durch die Freistellung.
- Beraterhinweis: Arbeitnehmer, die Zeitguthaben abbauen, müssen sich bewusst sein, dass sie das Risiko der Nutzungsmöglichkeit tragen.
Quellenangabe:
LAG Köln, Urteil vom 10.04.2025, Az.: 3 SLa 629/24 (ArbRB 2025, 304).BAG, Urteil vom 11.09.2003, Az.: 6 AZR 374/02.(Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW).
