Kündigungsschutz: „Salamitaktik“ im Restbetrieb umgeht KSchG-Schwelle nicht

Ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg klärt: Für die Kündigungsschutzschwelle ist die Mitarbeiterzahl beim Beginn der Abwicklungsentscheidung maßgeblich, nicht beim Kündigungszugang.

Arbeitgeber versuchen im Zuge von Betriebsübergängen, den Kündigungsschutz ($\S 1$ KSchG) zu umgehen, indem sie Mitarbeiter in einem kleinen "Restbetrieb" zusammenfassen und erst kündigen, wenn der Schwellenwert von mehr als zehn Mitarbeitern unterschritten ist ("Salamitaktik").

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 25. Juli 2025 (Az.: 12 SLa 640/25) entschieden, dass diese Taktik unzulässig ist. Für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist nicht auf die Mitarbeiterzahl zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der zugrundeliegenden unternehmerischen Entscheidung.

Der Fall: Der auf Auflösung angelegte Restbetrieb

Ein Betrieb ging auf eine andere Gesellschaft über. Der Kläger widersprach dem Betriebsübergang ($\S 613a$ BGB) und wurde gemeinsam mit 37 weiteren widersprechenden Mitarbeitern einem neu gegründeten „Restbetrieb B“ zugeordnet. Dieser Restbetrieb verfolgte den alleinigen Zweck, die Beschäftigungsverhältnisse der verbleibenden Mitarbeiter zu beenden.

Als der Arbeitgeber dem Kläger kündigte, waren nur noch fünf Mitarbeiter im Restbetrieb verblieben. Der Arbeitgeber meinte, das KSchG greife daher nicht.

Die LAG-Entscheidung: Kündigung ist unwirksam

Das LAG Berlin-Brandenburg erklärte die Kündigung für sozial ungerechtfertigt und damit für unwirksam.

  1. Maßgeblicher Zeitpunkt: Bei einer stufenweisen Durchsetzung eines Personalabbaus, der auf einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung beruht, ist für die Betriebsgröße ($\S 23$ KSchG) auf den Zeitpunkt der Konstituierung des Restbetriebs abzustellen.
  2. Überschreitung des Schwellenwerts: Da der Restbetrieb ursprünglich 38 widersprechende Mitarbeiter umfasste, war der Schwellenwert von mehr als zehn Arbeitnehmern überschritten.
  3. Soziale Rechtfertigung: Die Kündigung war zudem sozial ungerechtfertigt, da der Arbeitgeber die vom Kläger aufgezeigten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht substantiiert widerlegen konnte.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil sendet ein klares Signal gegen die Umgehung des Kündigungsschutzes durch strategische Reduzierung der Mitarbeiterzahl.

  • Risiko bei Restbetrieben: Bei der Bildung von Restbetrieben nach Widersprüchen zu einem Betriebsübergang gilt das KSchG für alle betroffenen Mitarbeiter, wenn die Gruppe zu Beginn mehr als zehn Arbeitnehmer umfasste.
  • Keine Umgehung: Arbeitgeber können den Kündigungsschutz durch eine künstlich niedrig gehaltene Mitarbeiterzahl nicht aushebeln.

Quellenangabe:

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.07.2025, Az.: 12 SLa 640/25 (ArbRB 2025, 337).

$\S 1, \S 23$ Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

$\S 613a$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).