Kündigung wegen Kirchenaustritts: EuGH-Generalanwältin sieht Diskriminierung
Kirchliche Arbeitgeber unterliegen in Deutschland dem sogenannten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, das ihnen erlaubt, von ihren Beschäftigten eine bestimmte Loyalität zu ihrem Ethos zu verlangen. Doch wie weit reicht dieses Recht, insbesondere wenn es um den Austritt aus der Kirche geht? Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Frau Medina, hat in ihren Schlussanträgen vom 10. Juli 2025 (Az.: C-258/24) klargestellt, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers durch eine katholische Organisation wegen seines Austritts aus der katholischen Kirche eine Diskriminierung wegen der Religion darstellen kann.
Die Argumentation der Generalanwältin
Die Generalanwältin argumentiert, dass eine Kündigung unzulässig ist, wenn die Organisation die fragliche Tätigkeit nicht von der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche abhängig gemacht hat und der Arbeitnehmer nicht offen in einer Weise handelt, die dem Ethos der Kirche zuwiderläuft.
- Keine wesentliche Anforderung: Eine berufliche Anforderung, die in der kontinuierlichen Zugehörigkeit zu einer Kirche besteht, sei dann nicht als wesentlich anzusehen, wenn der Arbeitgeber die gleiche Tätigkeit auch von Personen mit anderen oder keiner Religionszugehörigkeit ausüben lässt.
- Kein automatischer Pflichtverstoß: Der bloße Austritt aus der Kirche lasse nicht automatisch die Annahme zu, dass der Arbeitnehmer die Grundprinzipien und Werte der betreffenden Kirche nicht mehr befolgt oder seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr erfüllt.
Was bedeutet das für die Praxis?
Obwohl es sich hierbei um Schlussanträge handelt (das Urteil des EuGH steht noch aus), signalisieren sie eine mögliche Stärkung der Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Bereich.
- Differenzierte Loyalität: Kirchliche Arbeitgeber müssen differenzieren, welche beruflichen Tätigkeiten zwingend die Zugehörigkeit zur Kirche erfordern (z.B. Seelsorge) und welche nicht (z.B. Verwaltung, Technik).
- Vorsicht bei Kündigungen: Eine Kündigung allein wegen des Kirchenaustritts könnte zukünftig als Diskriminierung gewertet werden, wenn der Arbeitnehmer seine beruflichen Pflichten weiterhin erfüllt und nicht offen gegen die Grundwerte der Organisation verstößt.
Die finale Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet, da sie die Grenzen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Europa neu definieren könnte.
Quellenangabe:
EuGH-Generalanwältin, Schlussantrag vom 10.07.2025, Az.: C-258/24 (EuGH PM Nr. 91/25 vom 10.07.2025).
