Krankschreibung bis zum Urlaubsbeginn: Beweiswert der AU nicht erschüttert

Ein Urteil des LAG Düsseldorf klärt: Die Krankschreibung bis zum Ende der Kündigungsfrist erschüttert den Beweiswert der AU nicht, wenn die Ärztin eine medizinische Notwendigkeit nachweist.

Die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) passgenau bis zum Ende der Kündigungsfrist gilt als starkes Indiz, das den Beweiswert des "gelben Scheins" erschüttern kann. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat in einem Urteil vom 18. November 2025 (Az.: 3 SLa 138/25) entschieden, dass trotz der auffälligen zeitlichen Abfolge der Beweiswert der AU nicht erschüttert wurde, da die ärztliche Vernehmung die medizinische Notwendigkeit bestätigte.

I. Der Fall: Passgenaue Krankschreibung und Verdacht auf Täuschung

Ein Elektriker kündigte sein Arbeitsverhältnis. Nachdem er sich über seine Kündigungsfrist geirrt hatte, wurde er für 15 Tage krankgeschrieben – passgenau bis zum Beginn seines Resturlaubs. Aufgrund der Umstände (Irrtum über die Kündigungsfrist, lange AU-Dauer, die den Monat arbeitsfrei machte) verweigerte der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung in Höhe von rund 1.400 Euro. Der Arbeitgeber vermutete, der Mann habe sein Ziel erreicht, im betreffenden Monat nicht mehr arbeiten zu müssen.

II. Die LAG-Entscheidung: Ärztliche Erfahrung als entscheidender Beweis

Das LAG Düsseldorf hob das erstinstanzliche Urteil auf und sprach dem Kläger die Entgeltfortzahlung zu.

  1. Indizienlage für Erschütterung: Die zeitliche Abfolge (Krankschreibung bis kurz vor den Urlaub, die den Rest der Kündigungsfrist abdeckt) lieferte zwar Indizien, die den Beweiswert der AU grundsätzlich erschüttern konnten.
  2. Entkräftung der Zweifel: Die Vernehmung der behandelnden Ärztin lieferte jedoch die entscheidenden Fakten, die die Zweifel vollständig entkräfteten:
    • Diagnose und Vorgeschichte: Die Diagnose „Spannungskopfschmerz“ war plausibel und trat in der Gemeinschaftspraxis wiederholt nach stressigen Vorfällen auf.
    • Medizinische Üblichkeit: Die Ärztin bestätigte, dass zwei Wochen Krankschreibung bei akuter Belastung durchaus üblich seien und die Krankschreibung unabhängig von Urlaubsdaten oder Wochentagen erfolgte.
    • Kein Zusammentun: Das Gericht schloss aus, dass ein "Zusammentun" von Arzt und Patient vorlag, um eine Arbeitsunfähigkeit vorzutäuschen.
  3. Fazit: Der Arbeitgeber konnte den Beweiswert der AU nicht nachhaltig erschüttern. Die Klage hatte Erfolg.

III. Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil unterstreicht die hohe Hürde, die ein Arbeitgeber nehmen muss, um den Beweiswert einer AU-Bescheinigung erfolgreich zu erschüttern.

  • Hoher Beweiswert bleibt bestehen: Die ärztliche Bescheinigung hat grundsätzlich einen hohen Beweiswert. Selbst auffällige zeitliche Korrelationen (wie die Passgenauigkeit zur Kündigungsfrist) reichen nicht allein aus.
  • Ärztliche Vernehmung ist entscheidend: Im Streitfall ist die Vernehmung des behandelnden Arztes als Zeugen der entscheidende Schritt. Dessen Fachkenntnis und Berufserfahrung können die Zweifel des Gerichts ausräumen.
  • Erholung statt Kündigung: Das Argument des Klägervertreters, der Mitarbeiter hätte sich auch für die Urlaubsabgeltung entscheiden können, wenn er hätte täuschen wollen, wurde als Indiz für das Ende der Krankheit gewertet – nicht als Beweis für die Erkrankung.

Quellenangabe:

LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2025, Az.: 3 SLa 138/25.

$\S 3$ Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG).

(Verweist auf BAG, Urteile vom 15.01.2025, 5 AZR 284/24 und 13.12.2023, 5 AZR 137/23).