Equal Pay: Daimler-Managerin darf sich am Spitzenverdiener orientieren
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) soll die Gleichberechtigung beim Lohn sichern. Doch an wessen Gehalt dürfen sich Frauen orientieren, wenn sie sich diskriminiert fühlen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az.: 8 AZR 300/24) entschieden, dass sich die Entschädigung einer klagenden Frau an dem Gehalt eines besonders gut verdienenden männlichen Kollegen orientieren kann – und nicht nur am Mittelwert (Median) aller männlichen Kollegen.
Der Fall: Klage gegen Daimler Trucks
Eine langjährige Abteilungsleiterin bei Daimler Trucks merkte nach einer Elternzeit, dass sie deutlich schlechter bezahlt wurde als ein männlicher Kollege in gleichwertiger Position. Das LAG Stuttgart sprach ihr zwar eine Entschädigung zu, orientierte sich dabei aber am Mittelwert der männlichen Abteilungsleiter. Die Frau zog mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in Revision zum BAG.
Die BAG-Entscheidung: Klage auf gleiches Gehalt
Das BAG bestätigte im Kern seinen bisherigen Ansatz, der auf der Beweislastumkehr des $\S 22$ AGG basiert:
- Vermutung der Diskriminierung: Für die Klage reicht es aus, einen Kollegen mit gleichwertiger Arbeit zu finden, der besser verdient. Gelingt dieser Nachweis, besteht die Vermutung einer Diskriminierung.
- Keine Orientierung am Mittelwert: Kann der Arbeitgeber diese Vermutung nicht widerlegen (d.h. er kann keine sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung nachweisen), hat die Frau Anspruch auf das gleiche Gehalt wie der besser verdienende Kollege – und nicht nur das Mediangehalt. Die Forderung, Frauen müssten sich mit "Mittelmaß zufriedengeben", ist damit vom Tisch.
- Transparenzmangel als Fehlerquelle: Die Vorsitzende Richterin Martina Ahrendt kritisierte, dass die Gehaltsfindung bei Daimler wenig transparent sei, was die Widerlegung der Diskriminierungsvermutung erschwert.
Überraschende neue Runde am LAG Stuttgart
Das BAG sprach der Frau nicht sofort die geforderte Summe von 420.000 Euro zu, sondern verwies den Fall zurück ans LAG. Daimler Trucks erhält damit noch einmal die Möglichkeit, konkrete, sachliche Gründe vorzubringen, die die Gehaltsdifferenz rechtfertigen.
Praxishinweis: Über Geld sprechen!
Auch nach der Entscheidung des BAG haben Arbeitnehmer keinen Anspruch, das konkrete Gehalt eines Kollegen zu erfahren, sondern nur den abstrakten Mittelwert. Daher bleibt die Empfehlung von GFF-Anwältin Sarah Lincoln: "Fragen Sie die Kollegen, wieviel sie verdienen. Sprechen Sie über Geld!" Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie wird die Hürden der Anwendbarkeit (bisher: Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten) ab Juni 2026 weiter senken.
Quellenangabe:
BAG, Urteil vom 23.10.2025, Az.: 8 AZR 300/24.
$\text{Art. } 157 \text{ Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)}$.
$\S\S 3, 7$ Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG).
$\S 22$ Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
(Verweis auf LAG Stuttgart, Urteil vom 01.10.2024, Az.: 2 Sa 14/24).
