Betriebsratswahl: Weniger Kandidaten als Sitze – Keine Nachfrist erlaubt
Die Betriebsratswahl ist an strenge Fristen und Vorschriften gebunden. Ein häufiges Problem ist, dass nicht genügend Kandidaten für die vorgesehenen Sitze vorgeschlagen werden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Beschluss vom 22. Mai 2025 (Az.: 7 ABR 10/24) entschieden, dass der Wahlvorstand keine Nachfrist für die Einreichung weiterer Wahlvorschläge setzen darf, wenn mindestens ein gültiger Vorschlag rechtzeitig eingegangen ist.
I. Der Fall: Neunköpfiger Betriebsrat, sechs Kandidaten
In einem Gemeinschaftsbetrieb sollte ein neunköpfiger Betriebsrat gewählt werden. Innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen wurde jedoch nur ein Wahlvorschlag mit sechs Kandidaten eingereicht. Der Wahlvorstand setzte daraufhin eine Nachfrist, was von den Arbeitgeberinnen angefochten wurde.
Die Arbeitgeberinnen argumentierten, die Nachfrist sei zu kurz gewesen und verletze die Wahlvorschriften.
II. Die BAG-Entscheidung: Keine analoge Anwendung der Wahlordnung
Das BAG hob die Unwirksamkeitserklärung der Vorinstanz auf.
- Nachfrist nur bei Null-Eingang: Die Vorschrift der Wahlordnung (WO), die eine Nachfrist vorsieht ($\S 9$ Abs. 1 WO), gilt nur für den Fall, dass kein einziger gültiger Wahlvorschlag eingegangen ist.
- Keine Lücke bei Unterschreitung der Sitze: Wenn zumindest ein gültiger Wahlvorschlag vorliegt, kann die Betriebsratswahl dennoch stattfinden. Eine analoge Anwendung der Nachfristregelung scheidet daher aus, da keine planwidrige Regelungslücke besteht.
- Verstoß ohne Auswirkung: Die vom Wahlvorstand gesetzte Nachfrist war zwar ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, hatte aber keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis, da keine weiteren Kandidaten hinzukamen. Der Verstoß führte daher nicht zur Unwirksamkeit der Wahl.
III. Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit in einer bisher stark umstrittenen Frage.
- Wahl mit vorhandenen Kandidaten: Reicht die Anzahl der Wahlbewerber nicht aus, muss die Wahl mit den vorhandenen Kandidaten durchgeführt werden. Der Wahlvorstand darf die Einreichungsfrist nicht verlängern.
- Reduzierung der Betriebsratsgröße: Reicht die Anzahl der Bewerber auch für die nächstniedrigere Staffel des $\S 9$ BetrVG nicht aus (z.B. ein fünfköpfiger Betriebsrat), ist auf die jeweils nächstniedrigere Staffel zurückzugehen, bis die Anzahl der Bewerber ausreicht. Im konkreten Fall war ein fünfköpfiger Betriebsrat zu wählen (dafür reichen sechs Kandidaten).
Quellenangabe:
BAG, Beschluss vom 22.05.2025, Az.: 7 ABR 10/24 (ArbRB 2025, 340).
$\S 9$ Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
$\S 6$ Abs. 1 Satz 2, $\S 9$ Abs. 1 Wahlordnung (WO).
