Arbeitszeugnis: Verzicht vor Kündigung ist unwirksam – BAG urteilt

Ein Urteil des BAG klärt: Arbeitnehmer können vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verzichten. Die Regelung ist zwingendes deutsches Recht.

Der Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist ein zentrales Recht von Arbeitnehmern und hat große Bedeutung für das berufliche Fortkommen. Doch kann dieser Anspruch vertraglich ausgeschlossen werden? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 18. Juni 2025 (Az.: 2 AZR 96/24 (B)) klargestellt, dass ein Verzicht auf das Zeugnis vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist.

Das Problem: Rechtswahl im Vertrag und Zeugnisanspruch

Ein Lohnsteuerfahrer klagte gegen seinen Arbeitgeber auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag US-amerikanisches Recht (Bundesstaat Illinois) gewählt, das keinen Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis vorsieht.

Das BAG musste klären, ob die vereinbarte Rechtswahl den Arbeitnehmer des Schutzes des deutschen Arbeitsrechts entzieht.

Die BAG-Entscheidung: Zwingendes deutsches Recht hat Vorrang

Trotz der Rechtswahl bejahte das BAG den Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

  1. Zwingende Norm ($\S 109$ GewO): Der Zeugnisanspruch aus $\S 109$ Gewerbeordnung (GewO) gilt als international zwingende Norm i.S.v. Art. 30 Abs. 1 EGBGB a.F. Eine vereinbarte Rechtswahl darf dem Arbeitnehmer diesen Schutz nicht entziehen, wenn die engeren objektiven Anknüpfungen auf deutsches Recht verweisen.
  2. Unwirksamer Verzicht ($\S 134$ BGB): Unabhängig von der Rechtswahl ist ein Verzicht auf das Zeugnis vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach $\S 134$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Das Gericht begründet dies mit der Möglichkeit der Druckausübung durch den Arbeitgeber auf den noch beschäftigten Arbeitnehmer. Der Schutz des Arbeitnehmers vor Druck geht hier vor.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung und sendet ein klares Signal an Arbeitgeber, die mit Rechtswahlklauseln arbeiten.

  • Verzicht nur nachträglich: Ein wirksamer Verzicht auf die Erteilung eines Arbeitszeugnisses ist nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses denkbar.
  • Ausdrückliche Regelung notwendig: Selbst in einem gerichtlichen Vergleich ist eine allgemein gehaltene Ausgleichsklausel nicht ausreichend. Der Verzicht muss ausdrücklich und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden.

Wer auf das Zeugnis verzichtet, verschenkt ein wichtiges Recht – daher sollte dieser Schritt gut überlegt sein.

Quellenangabe:

BAG, Urteil vom 18.06.2025, Az.: 2 AZR 96/24 (B).

$\S 109$ Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO), $\S 134$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

(Verweist auf Hessisches LAG – 11 Sa 820/22).